Jahresbericht 2023/2024 der Beratungsstelle des Landkreises Celle

Dieser Bericht beschreibt die Arbeit der Beratungsstelle des Landkreises Celle für Eltern, Kinder und Jugendliche der letzten beiden Jahre. Inzwischen geht uns und allen Kooperationspartnern der Name flüssig über die Lippen. Sowohl die Rückmeldungen aus Kitas und Schulen als auch von Eltern und Jugendlichen bestätigen, dass die Änderung des Namens eine gute Entscheidung war und die Idee der Zugangserleichterung für Betroffene aufgegangen ist.

Unsere Anmeldezahlen sind weiterhin auf hohem Niveau. Hinter jeder Fragestellung, mit der Eltern kommen, hinter jedem Schicksalsschlag, den eine Familie trifft und hinter jeder Krise von Jugendlichen steckt eine individuelle Geschichte. Was alle eint, ist der immense Druck unter dem Familien stehen.

Laut einer Forsa Umfrage aus dem Jahr 2024 sind Eltern neben der Belastung durch Erziehung und beruflichen Anforderungen auch durch die politischen Konflikte sowie Sorgen um die Finanzen gestresst. Darüber hinaus werden Eltern, so der Professor für Migrations- und Bildungssoziologie an der TU Dortmund, Aladin El- Mafaalani „in der modernen Gesellschaft im beruflichen und gesellschaftlichen Leben, faktisch überall außerhalb der Familie, weitgehend wie kinderlose Erwachsene behandelt“ (Kinder, Minderheit ohne Schutz, S.32). Dadurch sind sie immer und überall unter Zeitdruck, obwohl Betreuungsangebote in Kitas und Schulen sukzessive weiter ausgebaut wurden und werden.

Auch im Landkreis Celle hat sich der zeitliche Rahmen der institutionellen Betreuung geändert. 2024 haben wir zum ersten Mal mehr Anmeldungen von Kindern zwischen 0 und 2 Jahren, die in der Krippe betreut werden, als von Kindern, die zuhause sind. In dem Bildungsteilbericht „Frühkindliche Bildung“ aus dem Jahre 2024 heißt es darüber hinaus: „In den Jahren 2014 bis 2023 hat sich die Anzahl der Kinder im Alter bis unter 3 Jahren in den Betreuungszeiten von mehr als 25 bis 35 Stunden und mehr als 35 Stunden jeweils deutlich erhöht, während die Inanspruchnahme der Betreuungszeit bis 25 Stunden leicht gesunken ist. In diesem Zeitraum hat sich die Anzahl der Kinder im Alter von 3 bis unter 6 Jahren in den Betreuungszeiten von mehr als 25 bis 35 Stunden und mehr als 35 Stunden jeweils mehr als verdoppelt, während die Inanspruchnahme der Betreuungszeit bis 25 Stunden erheblich zurückgegangen ist.“

Das heißt: Die zeitliche Ausdehnung der frühen institutionellen Betreuung hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Es werden immer mehr Plätze gebaut, so dass der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch erfüllt werden kann, aber leider ist die Zuverlässigkeit in vielen Kitas nicht in dem Rahmen gegeben, den die Kinder in dieser Entwicklungsphase brauchen. Fachkräftemangel und hoher Krankenstand sind bundesweit als problematisch erkannt, tragende Lösungen scheint es zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu geben. Wir erleben in den Kitas engagierte und fachkompetente Mitarbeitende, die es durch diese Rahmenbedingungen in ihrem Alltag nicht in dem Ausmaß schaffen, den Bedürfnissen der ihnen anvertrauten Kinder so gerecht zu werden, wie sie es selber möchten. Auch sie sind unter Druck.

Je resilienter ein Kind ist, desto besser kann es kleine Alltagskrisen im familiären Umfeld und in der Kita bewältigen und sich auf einen Wechsel von Betreuungspersonen einstellen. Je weniger ein Kind all das schon gelernt hat, was es auch für einen späteren Schulbesuch braucht, desto schwieriger wird es. Kleine Kinder sind in ihren sprachlichen, motorischen, kognitiven und emotionalen Kompetenzen bei gleichem Alter sehr unterschiedlich weit entwickelt. Je weiter Erwartungen, die an den Entwicklungsstand eines gewissen Alters bestehen und die tatsächlichen Kompetenzen eines Kindes divergieren, desto stärker wird der Druck der Erwachsenen – Pädagogen wie Eltern.

2023 und 2024 hatten wir viele Anmeldungen von Kindern im Übergang von der Kita in die Grundschule. Offensichtlich haben dabei kleine Jungen mehr Probleme, die Kompetenzen zu erwerben, die sie für das System Schule benötigen, als Mädchen. Das Phänomen ist übrigens nicht neu. Ich finde es beim Blättern durch die Jahresberichte seit 1999. Viele der kleinen Jungen, die bei uns angemeldet werden, machen durch auffälliges Verhalten auf ihre Überforderung und den Druck der Erwachsenen aufmerksam. Sie entsprechen den Erwartungen, die Erwachsene an sie stellen, nicht. Das wiederum verstärkt den Druck, unter dem Eltern wie Mitarbeitende in den Institutionen stehen.

In diesem Teufelskreis melden Eltern ihre Kinder in der Beratungsstelle an. Wir sehen hier eine Chance für kleine anlassbezogene Veränderungen in beiden Systemen, auch wenn weder Eltern noch Kitamitarbeitende einen Einfluss nehmen können auf die gesamtgesellschaftliche Situation. Erziehungsberatung hat zum Ziel, das Selbstwirksamkeitserleben bei Eltern, Pädagogen und Kindern zu erhöhen, damit beispielsweise diese kleinen Jungen genau diejenigen Kompetenzen erwerben, die ihnen gerade noch nicht ausreichend zur Verfügung stehen. In unserer Fallbeschreibung ab Seite 21 bekommen Sie einen Einblick in unsere Arbeit mit Familie und Kitaumfeld bei einem wütenden fünfjährigen Jungen.

Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Begleitung von Familien in Trennung und Scheidung.
Am 16. Januar 2025 wurde der 10. Familienbericht der Bundesregierung vorgestellt. Der Themenschwerpunkt dieses Berichtes ist „Unterstützung allein und getrennterziehender Eltern und ihrer Kinder“. Erziehungsberatung wird dort explizit als hilfreiche Unterstützung benannt. Dort wird formuliert: „Daten aus der bundesweit repräsentativen Wirksamkeitsforschung der Erziehungsberatung belegen, dass die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Beratungsprozesse höher ausfällt, wenn Erstgespräche zeitnah, spätestens vier Wochen nach der Anmeldung stattfinden“ (S.296). Diese zeitnahe Terminierung eines ersten Gespräches verstehen wir als Qualitätskriterium, was aber bei den steigenden Fallzahlen nicht mehr durchweg zu gewährleisten ist.

Weiter heißt es: „Dieses Wirkungsprofil belegt, dass Trennungsberatung zur Verbesserung der Familiensituation signifikant beitragen kann.“ (S. 296). Im Statistikteil können Sie mehr über unsere Arbeit im Kontext von Trennung und Scheidung erfahren. Darüber hinaus stellen wir Ihnen ab Seite 28 das Kursangebot „Kinder im Blick“ (KIB) vor, das wir seit zehn Jahren regelmäßig anbieten. Hier haben wir uns im Berichtszeitraum von der Universität München validieren lassen.

Ein Thema, das sich unabhängig vom Anmeldeanlass oder dem Alter der Kinder durch alle Beratungen zieht, ist der Umgang mit Medien. Im Jahresbericht 2007 hat unser damaliger Kollege Niels Stein einen Artikel geschrieben mit dem Titel „Was ist so schlimm an Medien? Über Kompetenz und Inkompetenz im Umgang mit Medien“. Heute könnten wir den Titel wiederholen, aber die Situation ist eine andere. Medien sind in den Familien viel verwobener mit dem Alltag als noch vor 14 Jahren. Wir geben Ihnen ab Seite 30 einen etwas anderen Einblick in den heutigen Familienalltag von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern und zeigen auf, wie wir in der Beratung auf die Omnipräsenz der Medien eingehen.

Lesen Sie hier den vollständigen Jahresbericht 2023/2024 mit Klick auf den Button:

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Welche Vorteile eine Mitgliedschaft für Sie persönlich, aber auch für die Weiterentwicklung der Erziehungsberatung in Niedersachsen und Deutschland hat, zeigen wir Ihnen hier.

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