4 Fragen zum Familienrecht: LAG Workshop "Familiengericht - Beratung - Kindschaftsrecht"
Beantwortung der im Workshop gestellten Fragen zum Familienrecht durch Dr. Kerstin Wierse, Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Ich habe die im Workshop gestellten Fragen in der Reihenfolge neu sortiert, um so mit Hilfe ihrer Beantwortung einen kurzen Überblick über das familiengerichtliche Verfahren zu geben. Die Beantwortung der Fragen erhebt allerdings nicht den Anspruch einer vollständigen systematischen Darstellung.
- Einen guten Überblick über das familiengerichtliche Verfahren – allerdings mit dem Schwerpunkt Kindeswohlgefährdung – liefern z.B.
Ernst / Lohse (Hrsg.): Praxishandbuch Familiengerichtlicher Kinderschutz, 2022
- Zum Thema Sachverständigengutachten geben einen guten Überblick:
Lack / Hammesfahr: Psychologische Gutachten im Familienrecht, 2. Aufl. 2024
angekündigt
- Eine Kommentierung des materiellen und Verfahrensrechts findet sich bei
Heilmann (Hrsg.): Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020
Für den Lesefluss habe ich auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Rechtliche Grundlagen zum Familienrecht
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch
= sog. „materielles“ Recht, das inhaltliche Regelungen und Vorgaben zu bestimmten Themenbereichen enthält
FamFG – Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten
der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
= sog. Verfahrensordnung, enthält Vorgaben für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens
Kindschaftssachen sind nach § 151 FamFG die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die
- die elterliche Sorge,
- das Umgangsrecht und das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
- die Kindesherausgabe,
- die Vormundschaft,
- die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen oder für ein bereits gezeugtes Kind,
- die Genehmigung von freiheitsentziehender Unterbringung und freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 1795 Absatz 1 Satz 3 und § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
- die Genehmigung oder Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei einem Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder
- die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz betreffen.
In der Praxis am häufigsten sind die Verfahren betreffend elterliche Sorge und Umgangsrecht.
Hierzu zählen insbesondere:
Kindschaftssachen unterliegen nicht dem Anwaltszwang, § 114 Abs. 1 FamFG.
Ab welchem Zeitpunkt wird das Familiengericht eingeschaltet? Wer entscheidet das?
Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ab wann das Familiengericht tätig wird, ist, um welche Fragestellung es geht, d.h. welche materielle Rechtsnorm betroffen ist: Grundsätzlich wird zwischen Antrags- und Amtsverfahren unterschieden. Antragsverfahren werden durch einen Antrag eines Antragstellers eingeleitet. Liegt ein Antrag (i.S.v. § 23 FamFG) vor, muss das Familiengericht ein Verfahren eröffnen und hat über den Antrag zu entscheiden. Der Antragsteller verfügt aber auch über die sog. Dispositionsbefugnis. Er kann das Verfahren durch Rücknahme des Antrags beenden, also über das Verfahren „disponieren“.
Amtsverfahren hingegen werden amtswegig geführt. Das Gericht entscheidet, ob ein Verfahren eingeleitet wird, und das Verfahren kann auch nur durch eine Entscheidung des Gerichts (Beschluss) beendet werden. Anträge betreffend Amtsverfahren führen damit nicht automatisch zur Verfahrenseinleitung. Es handelt sich vielmehr um Anregungen (§ 24 FamFG) an das Gericht zu prüfen, ob ein Verfahren eingeleitet wird. Die Verfahrenseinleitung hängt damit von einer Gerichtsentscheidung ab. Liegen hinreichende Anhaltspunkte für ein Regelungsbedürfnis vor, reduziert sich das gerichtliche Ermessen jedoch regelmäßig dahin, dass ein Verfahren einzuleiten ist. Lehnt das Gericht die Einleitung eines Verfahrens ab, muss es dies nicht zwingend in Beschlussform tun. Es genügt auch ein Aktenvermerk, der der anregenden Person/Institution bekannt gegeben wird.
Ob ein Verfahren ein Antrags- oder Amtsverfahren ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht, also dem BGB, und kann dem Normtext entnommen werden. Ist dort von Antrag die Rede, handelt es sich um ein Antragsverfahren.
Ein Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge bei Getrenntleben ist daher auf Antrag eines Elternteils einzuleiten. Ein Kinderschutzverfahren wird amtswegig eröffnet, wenn die Möglichkeit einer Kindeswohlgefährdung im Raum steht (§ 157 FamFG). Ein Umgangsverfahren wird amtswegig eingeleitet, wenn ein Bedarf für eine gerichtliche Regelung des Umgangs des Kindes mit seinen Eltern erkennbar ist, was der Fall ist, wenn bislang keine gerichtliche Regelung besteht und die Eltern um den Umgang streiten.
In besonders einschneidenden Kindschaftssachen gilt der Beschleunigungsgrundsatz, § 155 Abs. 1 FamFG. Mit dieser Vorschrift wurde ein ausdrückliches Vorrang- und Beschleunigungsgebot für Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, bzw. für Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls gesetzlich geregelt. Seine ausdrückliche Ausgestaltung findet sich in § 155 Abs. 2 FamFG wieder, wonach das Gericht in den in Abs. 1 genannten Fällen binnen eines Monats nach Beginn des Verfahrens die Sache mit den Beteiligten mündlich erörtern soll. Gem. § 155 Abs. 2 S. 4 FamFG ist eine Terminsverlegung nur aus zwingenden Gründen, wie z.B. Krankheit, zulässig. Nicht ausreichend ist eine Terminskollision eines Beteiligten.
Für beide Verfahrenstypen – Amts- und Antragsverfahren – gilt, dass das Verfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegt. Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (§ 26 FamFG).
Es hat zudem bestimmte Personen als Beteiligte hinzuzuziehen und muss bestimmte Anhörungen vornehmen. Die Durchführung der Anhörung dient dabei einerseits der Gewährleistung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) für die Beteiligten und andererseits der Sachverhaltsermittlung bzw. -aufklärung (§ 26 FamFG).
In Kindschaftsverfahren sind regelmäßig beteiligt bzw. zu beteiligen:
- das Kind, da es durch das Verfahren unmittelbar betroffen ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Allerdings bedeutet Beteiligung noch nicht, dass das Kind selbst seine Rechte im Verfahren geltend machen kann. Man unterscheidet also die Beteiligungsfähigkeit (§ 8 FamFG) von der Verfahrensfähigkeit (§ 9 FamFG). Verfahrensfähig ist das minderjährige Kind am 14 Jahren, wenn ein ihm nach dem BGB zustehendes Recht geltend macht, das seine Person
betrifft. Als Rechte des Kindes nach bürgerlichem Recht sind insb. zu nennen das Widerspruchsrecht bei der Sorgerechtsentscheidung (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB), das (positive) Umgangsrecht mit jedem Elternteil (§ 1684 Abs. 1 S. 1 BGB) und der Einwilligungsvorbehalt bei Adoption (§ 1746 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Demgegenüber beinhalten § 1666 BGB und auch § 1684 Abs. 4 BGB (Umgangsausschluss) keinen bürgerlich-rechtlichen Anspruch des Kindes, sondern eine im Rahmen des dem Staat durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG auferlegten Wächteramts bestehende Eingriffsbefugnis. Auch das Gewaltverbot nach § 1631 Abs. 2 BGB beinhaltet kein subjektives Recht des Kindes (vgl. zum Ganzen BGH NJW 2021, 2734). - in Antragsverfahren der antragstellende Elternteil (§ 7 Abs. 1 FamFG)
- die sorgeberechtigten Eltern in allen Kindschaftsverfahren, die ihr Kind betreffen (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG)
- in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil des Kindes im Hinblick auf § 1680 Abs. 2, 3 FamFG
- der Verfahrensbeistand, soweit er nach § 158 FamFG für das Kind zu bestellen ist,
- das Jugendamt in Verfahren nach § 1666 BGB (§ 162 Abs. 2 FamFG). In allen anderen Verfahren, die Person des Kindes betreffend, ist das Jugendamt zwingend anzuhören. Es hat aber auch ein Optionsrecht auf Beteiligung: Stellt es einen Antrag auf Beteiligung ist es zu beteiligen (§ 162 Abs. 2 FamFG).
Nach § 161 FamFG kann das Familiengericht auch entscheiden, die Pflegeeltern zu beteiligen, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt. Eine Beteiligung wird am ehesten bei Fragen der Rückführung des Kindes in Betracht kommen.
Beteiligung am Verfahren bedeutet, dass die Person vollständig in das Verfahren einzubeziehen ist, d.h. alle Schriftsätze erhält, zu allen Terminen zu laden ist und ihr zu allen wesentlichen Verfahrensschritten Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren ist.
Im Übrigen hat das Familiengericht Beteiligte und auch nicht am Verfahren Beteiligte Dritte anzuhören:
- das Kind, § 159 FamFG
- die Eltern, § 160 FamFG
- das Jugendamt, §§ 155 Abs. 2 S. 3, 162 Abs. 1 FamFG
- die Pflegeeltern, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt, § 161 FamFG.
Müssen Kinder angehört werden?
Ja! Mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.6.2021 (BGBl 2021 I 1810) wurde die Regelung zur Kindesanhörung reformiert. Damit soll die Subjektstellung des Kindes im Verfahren gewährleistet und dem Recht des Kindes auf rechtliches Gehör sowie der Bedeutung der persönlichen Anhörung für die Sachverhaltsermittlung Rechnung zu tragen. Nach § 159 Abs. 1 FamFG gilt nunmehr eine grundsätzliche, altersunabhängige Pflicht des Gerichts zur
persönlichen Kindesanhörung und zur Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks vom Kind.
Von der zwingenden Verpflichtung des Gerichts zur persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks kann nur in den vier in § 159 Abs. 2 FamFG abschließend aufgezählten Fallkonstellationen absehen, wenn nämlich
- ein schwerwiegender Grund vorliegt,
- das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun,
- die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind und eine persönliche Anhörung auch nicht aus anderen Gründen
angezeigt ist oder - das Verfahren ausschließlich das Vermögen des Kindes betrifft und eine Anhörung nach der Art der Angelegenheit nicht angezeigt ist.
Schwerwiegende Gründe sind gegeben, wenn ausnahmsweise die zu erwartenden (physischen, psychischen oder seelischen) Belastungsmomente für das Kind schwerer wiegen als das unmittelbare rechtliche Gehör und die zu erwartende Sachverhaltsaufklärung ggf. auch durch Dritte herbeigeführt werden kann.
Schwerwiegende Gründe können auch bei Gefahr in Verzug vorliegen. Der zweite Ausnahmetatbestand betrifft vor allem Säuglinge und Kleinstkinder, aber auch Kinder mit erheblichen Behinderungen oder schwer und voraussichtlich noch länger erkrankte Kinder. Handelt es sich allerdings um ein Kindeswohlgefährdungsverfahren nach §§ 1666, 1666a BGB greifen die Ausnahmetatbestände Nr. 2 und 3 nicht (§ 159 Abs. 2 Satz 2 und 3 FamFG); das Gericht hat sich in diesen Verfahren stets einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, auch wenn das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun und auch dann, wenn die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes nicht von Bedeutung sind. Das Unterbleiben der Anhörung stellt, sofern keine Ausnahme vorliegt, einen Verfahrensfehler dar, der im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens zur Zurückverweisung führen kann.
Hat das Kind einen Verfahrensbeistand, soll die Anhörung in seiner Anwesenheit stattfinden (§ 159 Abs. 4 S. 3 FamFG). Den Eltern und deren Anwälten steht kein Recht zu, bei der Anhörung des Kindes – auch nicht per Videovernehmung – anwesend zu sein (BVerfG NJW 2019, 2532). Dies gilt auch für einen von den sorgeberechtigten Eltern für das Kind beauftragten Rechtsanwalt (KG FamRZ 2019, 1434).
Welche Fragen werden an die Kinder im Verfahren gestellt?
Der Inhalt der Anhörung richtet sich nach dem Verfahrensgegenstand. Das Gericht soll den Verfahrensgegenstand kindgerecht erklären und dem Kind hierzu Gelegenheit zur Äußerung geben. Dabei ist wichtig für das Kind verständlich hervorzuheben, dass nicht das Kind die Entscheidung trifft, sondern die Erwachsenen und eben im Zweifel das Gericht, wenn die Eltern keine Einigung finden können bzw. eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht. Daneben ist natürlich auch von Interesse, das Kind als Person kennenzulernen, so dass sich die Fragen nicht nur auf den Verfahrensgegenstand beziehen sollten.
Welche Fragen konkret gestellt werden, hängt nicht nur vom Gegenstand des Verfahrens, sondern insbesondere von der Person des Kindes, seinem Alter und seiner Reife, ab.
Die Verfahrensbeteiligten können Anregungen zur Ausgestaltung der Anhörung machen, etwa anregen, dass aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls eine Anhörung im häuslichen Umfeld erfolgt.
Qualifikation Verfahrensbeistand? Kriterien für die Bestellung?
Auch die Regelungen zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes wurden durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Sommer 2021 neugefasst. Erstmals wurden damit auch Anforderungen an die Qualifikation des Verfahrensbeistands normiert. Das Gericht hat nach § 158 Abs. 1 FamFG dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, also insbesondere Sorge- und Umgangsrechtsverfahren, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen (§ 158 Abs. 1 S. 2 FamFG), also in der Regel bereits mit der Verfahrenseinleitung, weil nur so die sachgerechte Interessenwahrnehmung für das Kind unter Berücksichtigung des geltenden Beschleunigungsgrundsatzes gewahrt werden kann.
§ 158 FamFG enthält in den Absätzen 2 und 3 nunmehr auch genauere Vorgaben dafür, wann die Bestellung zur Wahrnehmung der Kindesinteressen erforderlich ist. Die Bestellung ist nach § 158 Abs. 2 FamFG stets erforderlich (= zwingend), wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a BGB,
- der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 BGB oder
- eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 BGB.
Nach § 158 Abs. 3 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn
- das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, also in der Regel bei Elternstreit über das Sorge- oder Umgangsrecht,
- eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich
befindet, - Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
- eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Fachlich geeignet ist der Verfahrensbeistand dann, wenn er Grundkenntnisse auf den Gebieten des Familienrechts, insbesondere des Kindschaftsrecht, des Verfahrensrechts in Kindschaftssachen und des Kinder- und Jugendhilferechts, sowie Kenntnisse der Entwicklungspsychologie des Kindes hat und über kindgerechte Gesprächstechniken verfügt (§ 158a Abs. 1 FamFG). Da die Bestellung des Verfahrensbeistands durch das Gericht erfolgt, sind die vorgenannten Kenntnisse (nur) gegenüber dem Gericht auf dessen Verlangen nachzuweisen. Der Nachweis kann insbesondere über eine sozialpädagogische, pädagogische, juristische oder psychologische Berufsqualifikation sowie eine für die Tätigkeit als Verfahrensbeistand spezifische Zusatzqualifikation erbracht werden (§ 158a Abs. 1 S. 3 FamFG). Ferner hat sich der Verfahrensbeistand regelmäßig, mindestens alle zwei Jahre, fortzubilden und dies dem Gericht auf Verlangen nachzuweisen (§ 158a Abs. 1 S. 4 FamFG).
Ungeeignet sind Personen, die wegen bestimmter Straftaten verurteilt wurden (§ 158a Abs. 2 S. 2 FamFG), worüber sich das Gericht durch Vorlage des Führungszeugnisses versichert. In der Praxis relevanter, weil eng mit der Aufgabe des Verfahrensbeistandes verbunden, ist die positive Beschreibung, wann ein Verfahrensbeistand persönlich geeignet ist: Dies ist eine Person dann, wenn sie Gewähr bietet, die Interessen des Kindes gewissenhaft, unvoreingenommen und unabhängig wahrzunehmen (§ 158a Abs. 2 S. 1 FamFG).
Aufgabe des Verfahrensbeistandes ist gem. § 158b Abs. 1 S. 1 FamFG gerade, das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Das Interesse des Kindes ist nicht gleichzusetzen mit seinem Willen. Vielmehr ist es Aufgabe des Verfahrensbeistandes, das Interesse des Kindes in subjektiver wie objektiver Hinsicht festzustellen und zur Geltung zu bringen. Dies erfordert neben der Feststellung der Willensbekundungen des Kindes die Erfassung und Bewertung seiner Situation im Hinblick auf sein Wohl.
Die Verpflichtung zur unabhängigen Vertretung der Interessen des Kindes bedeutet dabei, eine allein auf das Kind ausgerichtete Interessenwahrnehmung, unbeeinflusst von den Meinungen und Interessen der Eltern, anderer Beteiligte oder sonstiger Dritter. Als insoweit einseitiger Interessenvertreter ist der Verfahrensbeistand, anders als das Gericht oder ein von diesem bestellter Sachverständiger, nicht zur Objektivität oder Neutralität verpflichtet. Er kann daher
nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Dementsprechend ist der Verfahrensbeistand auch nur dann abzuberufen, wenn er dies selbst beantragt oder aber die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde (§ 158 Abs. 4 FamFG), was eine sehr hohe Hürde darstellt.
Die vorstehende Beschreibung der Aufgabe des Verfahrensbeistands ist insbesondere im Blick zu behalten, wenn es um die Frage der Bemessung seines Aufgabenkreises geht. Nach § 158b Abs. 2 FamFG kann das Gericht den Verfahrensbeistand auch mit der Aufgabe betrauen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Dieser sog. „große“ Aufgabenkreis wird häufig missverstanden und dahin interpretiert, dass der Verfahrensbeistand ähnlich wie das Jugendamt umfassend zur Familiensituation Stellung nimmt oder aber – in der anderen Dimension – gar als Mediator tätig wird. Beide ist nicht gemeint und gewollt. Vielmehr dient der sog. „große“ Aufgabenkreis dazu, die ureigenste Rolle des Verfahrensbeistands – nämlich die Interessenvertretung des Kindes – bestmöglich wahrnehmen zu können. Gespräche mit Eltern und Bezugspersonen dienen danach der Feststellung der Kindesinteressen. So kommt der große Aufgabenkreis insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern, regelmäßig aber auch noch bei Kindern im Vor-und Grundschulalter zur Interessenfeststellung in Betracht, weil Kinder in diesem Alter entwicklungsbedingt sowie mit Blick auf den Bestellungsgrund (Loyalitätskonflikt, Kindeswohlgefährdung usw.) ihren Willen nur begrenzt oder nicht hinreichend differenziert ausdrücken können bzw. Anhaltspunkte für einen dem Kindeswohl widersprechenden Kindeswillen bestehen (können). An einer einvernehmlichen Lösung wirkt der Verfahrensbeistand als Interessenvertreter dadurch mit, dass er Wunsch, Wille und Interesse des Kindes einbringt und dadurch ggf. Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, anstoßen oder befördern kann.
Die Bestellung des Verfahrensbeistands erfolgt durch das Gericht, das für die Auswahl regelmäßig auf einen ihm bekannten „Pool“ an möglichen Verfahrensbeiständen zurückgreift. Der Auswahlkreis kann dabei aber von Richter zu Richter variieren. Es gibt keine durch die Gerichtsverwaltung geführte allgemeine oder gar öffentlich einsehbare Auswahlliste. Dass die Bestellung durch das Gericht erfolgt, führt nicht selten zu dem Eindruck einer besonderen Nähe zwischen Verfahrensbeistand und Gericht. Es bedeutet jedoch gerade nicht, dass die Stellungnahme des Verfahrensbeistands gewichtiger sein darf oder soll als die des Jugendamtes. Insoweit ist von allen Beteiligten Professionalität zu fordern und im Einzelfall an die Wahrnehmung der jeweiligen Rolle, beim Verfahrensbeistand eben der Rolle als unabhängiger Interessenvertreter allein der Kindesinteressen, zu erinnern.
Auch wenn die Bestellung von Amts wegen, also durch das Gericht erfolgt, kann die Bestellung und auch die Auswahl einer bestimmten Person auch von Dritten etwa zusammen mit der Anregung überhaupt ein Verfahren zu eröffnen angeregt werden. Dies ist sinnvoll, wenn bereits vorab bekannt ist, dass der Verfahrensbeistand im konkreten Fall idealerweise über besondere Fachkenntnisse verfügen sollte.
Was zählt mehr bei Abweichungen Verfahrensbeistand vs. ASD / EB?
Verfahrensbeistand und das am Verfahren mitwirkende Jugendamt haben nach dem FamFG unterschiedliche, aber durchaus komplementäre Rollen. Insoweit gibt es kein „Prä“, keine Hierarchie zwischen beiden Verfahrensbeteiligten. Die Nichtbeteiligung eines zwingend zu bestellenden Verfahrensbeistands und die Nichtbeteiligung des zu beteiligenden Jugendamtes bzw. die Nichtanhörung des Jugendamtes stellen beiderseits schwere Verfahrensfehler dar.
Anders als der Verfahrensbeistand ist das Jugendamt gerade kein Interessenvertreter im Verfahren. Seine Rolle ist die der mitwirkenden sozialpädagogischen Fachbehörde (§ 50 SGB VIII). Die Aufgabe ist also die Einbringung fachlichen Wissens in das Verfahren. Nach § 50 Abs. 2 S. 1 SGB VIII unterrichtet das Jugendamt insbesondere über angebotene und erbrachte Leistungen, bringt erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen ein und weist auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hin.
Das Familiengericht ist inhaltlich weder an die fachliche Stellungnahme des Jugendamtes noch an die Stellungnahme des Verfahrensbeistands als Interessenvertreter des Kindes gebunden. Beiden Stellungnahmen kommt aber gleichermaßen Gewicht im Verfahren zu, und das Familiengericht muss sich in seinem Beschluss mit den Stellungnahmen inhaltlich auseinandersetzen und schriftlich begründen, warum es einer Stellungnahme dieser professionell am Verfahren Beteiligten nicht folgen will, wobei es gleichzeitig darlegen muss, woher es seine Sachkunde nimmt, aufgrund der es von den Stellungnahmen abweicht (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss v. 29.12.2020 – 1 BvR 2625/20; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2023 – 1 BvR 1242/23).
Müssen Richter*innen Sachverständige hinzuziehen?
Das Familiengericht muss das Verfahren so gestalten, dass eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung gewährleistet ist. Hierfür hat es den Sachverhalt soweit wie möglich und erforderlich aufzuklären, wozu auch eine fachliche Einschätzung gehören kann. Letzterer dienen insbesondere auch die Stellungnahme des Jugendamtes aber auch des Verfahrensbeistands als Interessenvertreter des Kindes (soweit dieser über eine entsprechende Grundausbildung verfügt). Genügt dies nicht als Grundlage für eine am kindeswohlorientierte Entscheidung muss das Familiengericht selbst den Sachverhalt weiter ermitteln (Amtsermittlungsgrundsatz) und etwa Auskunftspersonen befragen o.ä. Diese Aufgabe kann es nicht auf die Verfahrensbeteiligten delegieren, da der Amtsermittlungsgrundsatz eine originär eigene Verpflichtung des Gerichts begründet. Die Verfahrensbeteiligten sind zwar gem. § 27 FamFG zur Mitwirkung verpflichtet. Diese Verpflichtung geht aber nicht so weit, dass die Beteiligten selbst Ermittlungen für das Gericht (quasi als Beauftragte) durchführen müssten. Vielmehr müssen sie (nur) auf Anfragen des Gerichts reagieren und ihnen etwa bekannte, aber bislang noch nicht im Verfahren bekannt gemachte Umstände offenlegen. Das Gericht kann also
nicht – wie dies häufiger in der Praxis passiert – dem Jugendamt aufgeben, einen Hausbesuch vorzunehmen. Dem Jugendamt steht es andererseits natürlich aber frei, in Ausübung seines eigenen Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) eigene weitere Ermittlungen vorzunehmen, wenn es dies selbst nach pflichtgemäßem Ermessen für seine fachliche Mitwirkung am Verfahren für erforderlich hält und hiervon dann das Gericht in Kenntnis zu setzen.
Einzige echte Hilfsperson im Verfahren ist der gerichtlich bestellte Sachverständige, über den sich das Gericht die Fachkenntnisse verschafft, die es im konkreten Fall benötigt, um eine dem Kindeswohl entsprechende Entscheidung treffen zu können. Das Familiengericht ist nicht stets gehalten ein Sachverständigengutachten einzuholen. Wenn es aber von der Beiziehung eines
Sachverständigen absieht, muss es anderweit über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen. Gleiches gilt, wenn das Gericht von einem gerichtlich (etwa im Vorverfahren oder in der Vorinstanz) eingeholten Sachverständigengutachten abweichen will (vgl. z.B. BVerfG Beschluss v. 14.04.2021 – 1 BvR 1839/20). Eine anderweitig zuverlässige Grundlage für eine Entscheidung setzt zunächst voraus, dass alle Verfahrensschritte vorgenommen wurden, d.h. die erforderlichen Anhörungen von Kind, Eltern, Verfahrensbeistand und Jugendamt vorgenommen wurden. Darüber hinaus muss auch anderen relevanten Ermittlungsmöglichkeiten nachgegangen worden sein: z.B. Auskünfte von Erzieherinnen und Erziehern oder Lehrerinnen und Lehrern im Freibeweisverfahren (§§ 26, 30 FamFG). Eine anderweitig hinreichende Grundlage kann sich ergeben aus (vgl. Heilmann/Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020, § 163 FamFG Rn. 7ff.):
- einer fundierten Stellungnahme des Jugendamtes, die eine umfassende sozialpädagogische Einschätzung vornimmt
- einer im Rahmen der Hilfeplanung vorgenommenen Diagnostik
- einer Stellungnahme des Verfahrensbeistandes, wenn er etwa Psychologe oder Pädagoge ist
- – weiteren Erkenntnisquellen wie Arztberichten, Berichten von Umgangsbegleitern, Verlaufsberichten zu einer SPFH etc.
Richterinnen und Richter (müssen) sich also dann für die Hinzuziehung eines Sachverständigen entscheiden, wenn sie zu der Auffassung gelangen, noch nicht über hinreichend Informationen und Kenntnisse zu verfügen um eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung treffen zu können.
Wann wird ein Verfahren „ausgesetzt“?
Nach § 21 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Gerichtsverfahrens bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.
Grundsätzlich sind Kindschaftsverfahren beschleunigt zu führen. Besondere Kindschaftsverfahren, das sind die Verfahren die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen (§ 155 Abs. 1 FamFG), sind besonders beschleunigt zu führen. Eine (echte) Aussetzung des Verfahrens kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Wird in Kindschaftssachen von der Aussetzung des Verfahrens gesprochen, ist damit meist gemeint, dass das gerichtliche Verfahren vorerst nicht fortgeführt wird, um Raum für außergerichtliche Einigungsversuche der Eltern zu eröffnen.
Mit Ausnahme der Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB) ist das Familiengericht nämlich nach § 156 FamFG angehalten, in Kindschaftssachen, die die elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Hierin kommt der grundgesetzlich nach Art. 6 Abs. 2 S.
1 GG verbürgte Grundsatz der Elternautonomie zum Tragen. Mit den Eltern wird daher mit Unterstützung des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes regelmäßig ausführlich im Termin erörtert, ob und unter welchen Bedingungen ein Elternkonsens erzielbar ist. Häufig bedarf es dafür aber weiterer Schritte, wie einer Elternberatung oder Mediation. Ein Verfahrensabschluss im beschleunigt anberaumten, frühen (ersten) Termin ist daher häufig nicht zu erzielen bzw. nicht sinnvoll. Das Familiengericht kann dann die Eltern auf die Möglichkeit von Beratung oder Mediation hinweisen (§ 156 Abs. 1 S. 2 FamFG) oder aber sogar anordnen, dass die Eltern an einer Beratung teilnehmen (§ 156 Abs. 1 S. 4 FamFG). Hinweis und Anordnung schließen das Verfahren nicht ab. Faktisch wird das Verfahren dadurch „ausgesetzt“, d.h. nicht bis zur Entscheidungsfindung fortgeführt, sondern einstweilen pausiert.
Um das Verfahren nicht „in der Luft hängen“ zu lassen und den Beteiligten Orientierung darüber zu geben, wie es weitergehen wird, ist es sinnvoll bereits mit dem Hinweis auf Mediations- oder Beratungsmöglichkeiten im Protokoll bzw. mit dem Beschluss, mit welchem eine Beratung angeordnet wird, einen Zeitrahmen für diese Intervention, also die Verfahrenspause festzusetzen und bereits einen Fortsetzungstermin anzuberaumen. In diesem sind dann die zwischenzeitliche außergerichtliche Entwicklung und der hoffentlich erzielte Fortschritt zu erörtern und ist sodann über das Schicksal des familiengerichtlichen Verfahrens zu entscheiden, also die Frage zu klären, ob es noch einer familiengerichtlichen Entscheidung und wenn ja, welchen Inhalts bedarf. Möglich ist auch von einem weiteren Termin abzusehen und lediglich eine Frist zu bestimmen, bis zu der über die Entwicklung der Beratung/Mediation zu berichten ist, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob es eines weiteren Erörterungstermins bedarf oder aber das Verfahren infolge des erzielten Konsenses abgeschlossen werden kann.
Zur Gewährleistung des Beschleunigungsgrundsatzes sieht § 155 Abs. 4 FamFG vor, dass das Gericht das Verfahren in der Regel nach drei Monaten wiederaufnehmen soll, wenn die Beteiligten auch außergerichtlich keine einvernehmliche Regelung erzielen und das Verfahren den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand hat, also besonders beschleunigt zu führen ist.
In diesen Fällen hat das Gericht nach § 156 Abs. 3 FamFG mit den Eltern auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Regelung der Situation im Hinblick auf den Aufenthalt, den Umgang oder die Herausgabe des Kindes zu erörtern, wenn das Verfahren nicht bereits im frühen beschleunigt durchgeführten Termin mit einem Beschluss abschließt, sondern etwa Beratung anordnet oder weitere Maßnahmen der Sachverhaltsermittlung vornimmt.
Angeordnete Beratung nach § 156 Abs. 1 S. 4 FamFG:
Bevor eine Beratung mit Beschluss angeordnet wird, sollten die Rahmenbedingungen im Erörterungstermin geklärt werden. Zunächst ist mit Hilfe des mitwirkenden Jugendamtes zu klären, ob überhaupt Beratung in angeordneter Form angeboten wird. Als nächstes sind die konkreten Vorgehensschritte für Anmeldung und Terminsbestimmung zu klären, denn der Verpflichtungsbeschluss gegenüber den Eltern muss insoweit konkret überprüfbare Vorgaben machen. Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes (§ 155 Abs. 1 S. 4 FamFG) ist auch der Zeitrahmen für die Beratung zu erörtern und jedenfalls in groben Zügen zu umreißen. Da das Gesetz auch für den Fall der angeordneten Beratung keine förmliche Aussetzung des
Verfahrens vorsieht, sondern vielmehr die begleitende Verantwortung des Gerichts durch eine zeitnahe Fortführung des Verfahrens (§ 155 Abs. 4 FamFG) und ggf. flankierende vorläufige Regelungen im Wege einstweiliger Anordnung (§ 156 Abs. 4 FamFG) vorsieht, ist es erforderlich, durch Festlegung von Rückmeldungspflichten, einem völligen Stillstand des Verfahrens entgegenzuwirken. Der Beschluss sollte daher insoweit die Rahmenbedingungen für die Beratung stecken, dass das mitwirkende Jugendamt (als gleichzeitiger Leistungsträger nach § 18 SGB VIII) in
Rücksprache mit der Beratungsstelle Rückmeldung zur Aufnahme, zum Stand und zum Abschluss des Beratungsprozesses gibt. § 50 Abs. 2 S. 2 SGB VIII sieht insoweit vor, dass das Jugendamt das Familiengericht über den Stand des Beratungsprozesses informiert und insbes. darüber unterrichtet, dass Beratungsgespräche (erfolgreich oder erfolglos) durchgeführt wurden.
Mit Zustimmung der Eltern und der Beratungsstelle kann auch der Beratungsstelle selbst eine Rückmeldung aufgegeben werden.
Insbesondere kann mit Zustimmung der Eltern auch festgelegt werden, dass die Rückmeldung zum nicht erfolgreichen Abschluss des Beratungsprozesses die Konfliktthemen, die im Zusammenhang zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens stehen und die die den Beratungsprozess zum Abbruch brachten und nicht geklärt werden konnten, dem Gericht als Stichpunkt benannt werden. Dies ist deshalb sinnvoll, weil dann klar ist, wo das gerichtliche Verfahren weiter ansetzen muss. Ferner ist es sinnvoll im Erörterungstermin das Einverständnis der Beteiligten zur Weiterleitung des Sitzungsprotokolls an die Beratungsstelle einzuholen und dies im Protokoll festzuhalten. Damit ist in beide Richtungen sichergestellt, dass die jeweils zuvor tätige Institution (Gericht und Beratungsstelle) um den erreichten Stand in der Konfliktbearbeitung weiß, und kindeswohlabträgliche Doppelungen werden vermieden.
Eine Beratungsanordnung könnte z.B. wie folgt aussehen (siehe Kammergericht Berlin, Beschluss vom 06.02.2018 – 13 UF 188/17):
Den Eltern wird zur Auflage gemacht, co-moderierte [genaue Bezeichnung der Art der Beratung] Beratungsgespräche bei der Ehe- und Familienberatungsstelle des Bezirksamts … von B…, Standort … B… (Tel. … und E-Mail …) in Anspruch zu nehmen. Die Gespräche sollen mindestens einmal im Monat stattfinden.
Die Eltern – jeder für sich – werden verpflichtet, bis spätestens zum …. einen ersten Termin bei der Beratungsstelle zu vereinbaren und den vereinbarten Termin dem Gericht mitzuteilen.
Das Jugendamt jeweils nach Rücksprache mit der Beratungsstelle wird gebeten,
- nach Ablauf von etwa sechs Wochen – voraussichtlich also ….. – mitzuteilen, ob die
Beratungsgespräche aufgenommen worden sind; - nach Ablauf von etwa vier Monaten – voraussichtlich also …. – zu berichten und
mitzuteilen, ob ein Einvernehmen der Eltern erzielt werden konnte oder ob eine
Fortsetzung der Gespräche erforderlich und sinnvoll ist; - unverzüglich Mitteilung zu machen, falls die Beratungsgespräche abgebrochen
werden sollten oder keine Perspektive für eine sinnvolle Fortsetzung mehr gesehen
wird. In der Mitteilung sollen die offenen Konfliktpunkte in Bezug auf die elterliche
Sorge / den Umgang [Gegenstand des Verfahrens] benannt werden [wenn
Zustimmung der Eltern hierzu gegeben wurde].
Welche Aufmerksamkeit hat das Familiengericht auf die Kindeswohlgefährdung?
Welche Aufmerksamkeit hat das Familiengericht auf die Kindeswohl-gefährdung?
Das Familiengericht ist dem Kindeswohl verpflichtet. Es hat stets die Regelung zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1697a Abs. 1 BGB).
Ergeben sich Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls, ist das Familiengericht stets verpflichtet, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen:
- Streiten getrenntlebende Eltern über die elterliche Sorge und ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass eine Aufteilung der elterlichen Sorge unter ihnen eine Kindeswohlgefährdung nicht abwenden kann oder gar begründen würde, so hat das Familiengericht nach § 1671 Abs. 4 BGB Maßnahmen nach § 1666 BGB zu prüfen, also ggf. einen Entzug (von Teilen) der elterlichen Sorge auszusprechen und einen Vormund bzw. Ergänzungspfleger zu bestellen.
- Ergeben sich in Umgangsverfahren Anhaltspunkte für das Bestehen einer Kindeswohlgefährdung bei Durchführung oder Nichtdurchführung des Umgangs, sind ebenfalls entsprechende Maßnahmen zu treffen, etwa durch Einschränkung des Umgangs in Form begleiteter/beschützter Umgangskontakte oder einen Ausschluss des Umgangs (§ 1684 Abs. 4 BGB).
In der Beratung stellt sich häufig die Frage, ob die erlebte Hochstrittigkeit der Eltern als (mögliche) Kindeswohlgefährdung zu qualifizieren ist. Nach Kindler bzw. Gerber/Kindler kann dann von einer Kindeswohlgefährdung gesprochen werden, wenn es sich um Muster fortgesetzter Elternkonflikte handelt, die durch familiengerichtliche Verfahren und Beratung nicht befriedet werden können und
bei denen Kinder so schwerwiegende Belastungsreaktionen entwickeln, dass eine Verfestigung dieser Beeinträchtigungen droht.
➔ Betrifft eine substanzielle Minderheit der vom Konflikt betroffenen Kinder.
➔ Hochstrittigkeit rechtfertigt allein nicht die die Prognose einer ziemlich sicher vorhersehbaren erheblichen Schädigung.
➔ Im Einzelfall ist Einstufung aber gerechtfertigt, wenn schwere Belastungsreaktionen bei Kindern auftreten und deren Verfestigung droht.
(vgl. Gerber/Kindler (2020), Expertise, Kriterien einer qualifizierten Gefährdungseinschätzung; Kindler (2022), in: Ernst/Lohse (Hrsg.), Praxishandbuch Familiengerichtlicher Kinderschutz, Kapitel 4)
Wie konkret muss eine Regelung im Urteil sein? Wie „kleinteilig“ darf / soll das Familiengericht Entscheidungen treffen?
Das Familiengericht hat in dem das Verfahren abschließenden Beschluss eine umfassende und vor allem vollstreckungsfähige Regelung des Verfahrensgegenstands zu treffen.
In Antragsverfahren ist vollständig über den Antrag zu entscheiden, wobei das Familiengericht auch insofern vom Antrag abweichen darf, als es weniger als beantragt dem Antragsteller zuspricht. Beantragt etwa die Mutter die vollständige Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein, so kann das Familiengericht Teilbereiche der elterlichen Sorge auf die Mutter übertragen (z.B. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge) und im Übrigen den Antrag zurückweisen, so dass in den nicht übertragenen Teilbereichen weiterhin die gemeinsame elterliche Sorge besteht. Mit der Übertragung von lediglich Teilbereichen wird regelmäßig dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen, nach dem nur soweit eine Regelung zu treffen ist, als diese tatsächlich erforderlich ist.
In Amtsverfahren hat das Familiengericht stets unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere in Umgangsverfahren ist darauf zu achten, dass die getroffene Regelung vollstreckungsfähig ist, andernfalls kann der Beschluss das Verfahren nicht beenden.
Das Familiengericht hat dementsprechend Umfang, Art und nähere Ausgestaltung des Umgangsrechts regeln. Zwingend erforderlich ist eine Regelung zur Art (begleitet oder unbegleitet?) sowie Zeit, Rhythmus und Dauer (Wie oft, wie lange, erster Termin?) des Umgangs. Es ist der sog. reguläre Umgang (Alltagsumgang) und auch der Ferienumgang zu regeln, wobei in beiden Fällen darauf zu achten ist, dass Beginn und Ende des Umgangs eindeutig bestimmt werden (am besten durch Uhrzeiten).
Der Ort des Umgangs wird regelmäßig vom Umgangsberechtigten bestimmt. Sind hierzu aber Einschränkungen zur Gewährleistung des Kindeswohls erforderlich, sind auch diese ausdrücklich zu treffen. Aus den gleichen Gesichtspunkten kann eine Regelung zur Anwesenheit Dritter oder von Sachen (Tieren) getroffen werden. Das Gericht kann für ausgefallene Umgangstermine Ersatztermine anordnen, muss dies aber nicht – häufig wird hierdurch die Regelung deutlich verkompliziert. Es kann auch anordnen, dass dem Kind bestimmte, für den Umgang erforderliche
Gegenstände mitgegeben werden (Kuscheltier, Krankenkassenkarte etc.).
Neben dem persönlichen Umgang wird es auch immer wichtiger den Umgang per Fernkommunikationsmitteln (Handy, WhatsApp etc.) zu regeln.
Die Regelungsdichte hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Streitniveau der Eltern ab. Dabei lässt sich aber sagen, dass je komplizierter und je feingliedriger eine Regelung ausgestaltet wird, desto größer ist die Gefahr, eben nicht alle Eventualitäten erfasst zu haben, die das Leben aufwirft, so dass neuer Streit entsteht. Da mit einer Umgangsregelung sehr tief in das private Leben eingegriffen wird, sollte genau geprüft werden, welcher Regelungen es angesichts des Streitniveaus der Eltern zwingend bedarf (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Die Umgangsregelung ist vollstreckbar, wenn das Grundgerüst vorgegeben ist. Geht es um einzelne Kleinabstimmungen für nur eventuell oder selten auftretende Ereignisse, kann der Umgang mit diesen Situationen auch einem dann im Fall des Auftretens zu erzielenden Elternkonsens vorbehalten bleiben.
Das Umgangsrecht wird durch Ordnungsmittel (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) nach § 89 FamFG vollstreckt. Damit eine vollstreckbare Umgangsregelung vorliegt, muss der den Umgang anordnende Beschluss einen entsprechenden Warnhinweis enthalten.
Im Vollstreckungsverfahren wird die Vollstreckbarkeit der getroffenen gerichtlichen Regelung geprüft. Demgegenüber findet nicht nochmals eine Kindeswohlprüfung statt, da dies bereits Gegenstand der nunmehr zu vollziehenden Gerichtsentscheidung war. Sollten sich gravierende Gesichtspunkte ergeben, die eine Veränderung der Situation nahelegen und damit eine andere Bewertung des Kindeswohls, wäre ein neues Umgangsverfahren einzuleiten und die Vollstreckung (einstweilen) einzustellen.
Hier ein Beispiel für eine vollständige Umgangsregelung (regulärer Umgang + Ferien), entnommen von Gottschalk in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl. 2020, § 1684 Rn. 53:
1. Der Vater hat das Recht und die Pflicht auf Umgang mit der Tochter X… wie folgt:
a) alle zwei Wochen von Freitagnachmittag, 15.00 Uhr bis Sonntagnachmittag,
17.00 Uhr, erstmals in der Zeit vom 14. bis 16.3.2020.
b) in den geraden Kalenderjahren jeweils in der ersten Hälfte der gesetzlichen Schulferien des Bundeslandes und zwar jeweils beginnend montags nach dem letzten Schultag um 10.00 Uhr und endend bei zweiwöchigen Ferien am darauf folgenden Sonntag, bei dreiwöchigen Ferien jeweils am übernächsten Mittwoch und bei den sechswöchigen Sommerferien am dritten Sonntag nach Beginn des Ferienumgangs, jeweils um 17.00 Uhr, sowie
c) in den ungeraden Kalenderjahren jeweils in der zweiten Hälfte der gesetzlichen Schulferien des Bundeslandes, beginnend bei zweiwöchigen Ferien jeweils am zweiten Montag nach dem letzten Schultag, 10.00 Uhr und endend am darauffolgenden Sonntag, 17.00 Uhr; bei dreiwöchigen Ferien beginnend am 2. Mittwoch nach dem letzten Schultag, 10.00 Uhr und endend am übernächsten Sonntag; in den Sommerferien beginnend am vierten Sonntag nach dem letzten Schultag, 10.00 Uhr und endend am Sonntag vor Schulbeginn, 17.00 Uhr.
2. Der Vater holt das Kind ab. Die Mutter übergibt das Kind dem Vater zu Beginn des jeweiligen Umgangs pünktlich am Wohnsitz der Mutter. Am Ende der jeweiligen Umgangszeiten bringt der Vater das Kind pünktlich zur Mutter zurück, die das Kind
entgegennimmt.
3. Fällt ein Besuchskontakt wegen Erkrankung des Kindes aus, tritt anstelle des ausgefallenen Besuchskontaktes das darauffolgende Wochenende. Der Umgangsturnus verschiebt sich hierdurch nicht.
4. Beide Elternteile werden darauf hingewiesen, dass im Fall der Zuwiderhandlung gegen die sich aus diesem Beschluss ergebenden Verpflichtungen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder dessen Anordnung keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angeordnet werden kann.
Welche (fachlichen) Anforderungen werden an Umgangsbegleitungen („mitwirkungsbereiter Dritter“) gestellt?
Mitwirkungsbereiter Dritter kann grundsätzlich jede Person und damit auch eine Privatperson sein, wobei dies in der Praxis so gut wie gar nicht vorkommt. Die an die persönliche und fachliche Eignung zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus den konkreten Umständen des Falls, die es zunächst gilt nach dem Amtsermittlungsgrundsatz aufzuklären.
Das Familiengericht besitzt keine Anordnungskompetenz gegenüber Dritten, es kann also eine fehlende Mitwirkungsbereitschaft nicht durch Beschluss herbeiführen oder ersetzen. Ist eine fachliche Begleitung erforderlich, so ist das Familiengericht darauf angewiesen, dass das Jugendamt eine Maßnahme nach § 18 SGB VIII bewilligt oder aber, dass es selbst einen fachlich qualifizierten und mitwirkungsbereiten Dritten findet, der die Begleitung ehrenamtlich übernimmt. Ehrenamtlich deshalb, weil Mitwirkungsbereitschaft voraussetzt, dass keine Kosten durch die Justizkasse zu erstatten sind.
Damit der Umgang als begleiteter Umgang durch Beschluss angeordnet werden kann, bedarf es – wie bei jeder Umgangsregelung – der Festsetzung des Umgangs nach Art, Zeit und in diesem Fall auch Ort. Voraussetzung ist also, dass der mitwirkungsbereite Dritte konkrete Umgangsdaten nennt, die dann Gegenstand des Beschlusses werden. In der Praxis kommt es hingegen häufig vor, dass zwar eine Bereitschaft zur Leistungserbringung (§ 18 SGB VIII) in Form der Umgangsbegleitung besteht, aber konkrete Termine nicht im Vorhinein benannt werden können, weil das Konzept etwa die Entwicklung des Umgangs nach Maßgabe von Elterngesprächen und Auswertung vorsieht. Dann kommt keine gerichtliche Anordnung der begleiteten Umgänge durch Beschluss in Betracht, weil eine genaue Festlegung der einzelnen Umgangstermine nicht möglich ist. Bietet das Jugendamt einen begleiteten Umgang an, können sich die Eltern im Erörterungstermin gemeinsam mit dem Verfahrensbeistand darauf verständigen, dass ein entsprechender Antrag nach § 18 SGB VIII beim Jugendamt gestellt wird (ggf. auch bereits zu Gerichtsprotokoll soweit dies vom mitwirkenden Jugendamt akzeptiert wird) und Umgänge nach Maßgabe der Hilfeplanung durchgeführt werden. In diesem Fall kann das Verfahren zwar nicht mit
einem Beschluss, der den Umgang regelt, abgeschlossen werden. Da es sich jedoch um ein Amtsverfahren handelt, bedarf es trotzdem zum Verfahrensabschluss eines Gerichtsbeschlusses, der in diesem Fall dann dahin lautet, dass familiengerichtliche Maßnahmen nicht erforderlich sind, weil die Eltern sich auf Umgänge in begleiteter Form unter der Ägide des Jugendamtes verständigt haben.
Wann wird „gerichtlich gebilligt“? Was ist der Unterschied zwischen „Vereinbarung“ und „Beschluss“?
Erzielen die Beteiligten Einvernehmen über den Umgang oder die Herausgabe des Kindes, ist gem. § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG die einvernehmliche Regelung als Vergleich in das Protokoll aufzunehmen, wenn das Gericht diese billigt (gerichtlich gebilligter Vergleich). Das Gericht billigt nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG eine Umgangsregelung, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. Erforderlich für diese Feststellung ist regelmäßig, dass die erforderlichen Verfahrensschritte einschließlich der Anhörung des Kindes vorgenommen wurden.
Zu den Beteiligten, zwischen denen das Einvernehmen herzustellen ist, zählt neben den Eltern regelmäßig der bestellte Verfahrensbeistand. Ist das Jugendamt auf seinen formlosen Antrag hin als Beteiligter zum Umgangsverfahren hinzugezogen worden, muss auch dieses dem Vergleich zustimmen.
Da Umgangsverfahren Amtsverfahren sind und damit nicht der Disposition der Beteiligten unterliegen, kann ein solches Verfahren nur durch einen gerichtlichen Beschluss abgeschlossen werden. Durch den Billigungsbeschluss übernimmt das Gericht den zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich und macht sich diesen insoweit zu Eigen, als dieser Gegenstand seiner Entscheidung wird. Durch den Billigungsbeschluss wird der Vergleich damit auch Vollstreckungstitel. Aus ihm kann nach § 89 FamFG vollstreckt werden.
Voraussetzung für die Billigung ist, dass die im Vergleich enthaltene Umgangsregelung vollstreckungsfähig ist, also eine konkrete und abschließende Regelung der Umgangsmodalitäten nach Art, Zeit und Dauer enthält.
Ist dies nicht der Fall, kann das Familiengericht den Vergleich nicht billigen. Um das Amtsverfahren abschließen zu können, muss gleichwohl ein Gerichtsbeschluss getroffen werden. Gelangt das Gericht aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und des Ergebnisses des Erörterungstermins zu der Überzeugung, dass es keiner vollstreckungsfähiger Regelung des Umgangs bedarf, weil der im Termin gefundene Elternkonsens tragfähig ist und ein kindeswohldienlicher Umgang auch ohne
Vollstreckungsdrohung gewährleistet sein wird, kann es die Feststellung treffen, dass es familiengerichtlicher Maßnahmen nicht bedarf. Das Verfahren ist dann ordnungsgemäß abgeschlossen, ohne dass eine familiengerichtliche Umgangsregelung getroffen wurde. Aus der in der Elternautonomie fußenden Umgangsregelung kann nicht vollstreckt werden. Bei erneutem Elternstreit ist ein neues Umgangsverfahren – ggf. auf Anregung der Eltern oder des Jugendamtes hin – durchzuführen.
Warum gibt es keine regelmäßigen Termine zur Kontrolle der Ziele / Auflagen?
Auflagen, die im laufenden Verfahren erteilt wurden (siehe § 156 Abs. 1 FamFG) und mit denen das Verfahren nur untechnisch „ausgesetzt“, also pausiert wurde, sind regelmäßig durch das Gericht zu prüfen, idealiter in einem Fortsetzungstermin. Die Anberaumung eines Fortsetzungstermins kann von jedem Verfahrensbeteiligten zu jeder Zeit angeregt werden.
Das Familiengericht kann aber auch die Regelung des Umgangs im Rahmen seiner Endentscheidung (Beschluss) mit Auflagen zur Einhaltung der sog. Wohlverhaltenspflicht versehen und den Eltern etwa aufgeben, eine Beratung wahrzunehmen (§ 1684 Abs. 3 S. 2 BGB). Da das Verfahren durch die gerichtliche Umgangsregelung beendet wurde, unterliegt die Einhaltung einer solchen Beratungsauflage allerdings keiner weitergehenden gerichtlichen Überprüfung. Die
Überprüfung der Einhaltung fällt damit faktisch in die Hände der Eltern sowie des Jugendamtes. Wird die Beratung nicht wahrgenommen und kommt es deshalb zu erneuten Streitigkeiten im Umgang, kann jeder Elternteil erneut die gerichtliche Regelung des Umgangs anregen, d.h. die Einleitung eines Vermittlungsverfahrens (§ 165 FamFG) oder eines neuen Umgangsverfahrens. Eine Anregung der Verfahrenseinleitung kann aber auch durch involvierte Dritte, wie etwa die Beratungsstelle oder das Jugendamt erfolgen. Amtsverfahren können von jedermann angeregt werden. Wollen Dritte sich an das Familiengericht wenden, müssen sie selbst prüfen, inwieweit Datenschutz und etwaige Schweigepflichten entgegenstehen. Das Familiengericht ist an der Verwertung eines ihm bekannt gewordenen Hinweises nicht gehindert. Es hat in jedem Fall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein neues Verfahren erforderlich und damit zu eröffnen ist.
Wo endet / beginnt die Schweigepflicht
a) Nach § 203 StGB
Nach § 203 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses, dass einer Person in einer der enumerativ aufgezählten Funktionen anvertraut oder sonst bekannt geworden ist, strafbewährt. Die Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 203 Abs. 1 StGB bezieht sich damit nach dem Wortlaut der Norm umfassend auf alles, was dem Schweigepflichtigen in der Ausübung seines Berufes, also „als“ Berufs- oder Amtsperson bekannt geworden ist.
Es muss sich jedoch um ein Geheimnis handeln. Unter dem Begriff des Geheimnisses sind dabei Tatsachen zu verstehen, die nur einem Einzelnen oder einem beschränkten Kreis von Personen bekannt oder zugänglich sind und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein berechtigtes (schutzwürdiges) Interesse hat.
Im Fall der Anordnung einer Beratung (§ 156 Abs. 1 S. 4 FamFG) ist die Tatsache der Beratung kein Geheimnis in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten bzw. es liegt insoweit kein Offenbaren vor. Gleiches gilt für die Frage, ob die Beratung durchgeführt wird oder abgebrochen wurde, da hiermit keine inhaltlichen Angaben zum Beratungsgespräch verbunden sind. Die Angaben betreffen nur den äußeren Rahmen des Beratungsprozesses. Dieser ist im Fall der angeordneten Beratung eng mit der Verpflichtung des Gerichts zur Förderung und Fortführung des Verfahrens verbunden. § 50 Abs. 2 S. 2 SGB VIII sieht vor, dass das Jugendamt über den Stand des Beratungsprozesses das Familiengericht informiert.
Strafbar ist nur die „unbefugte Offenbarung“ eines Geheimnisses. Bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen bzw. in folgenden Situationen ist das Offenbaren nicht unbefugt:
- bei Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung des Betroffenen bzw.
Verfügungsberechtigten; - wenn gesetzliche Mitteilungspflichten gegeben sind (zB nach § 138 StGB, §§
6 ff. IfSG), - wenn ausdrückliche Ausnahmen von der Schweigepflicht in anderen Gesetzen
normiert sind (z.B. § 4 Abs. 3 KKG), - wenn die Offenbarung zur Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen des
Schweigepflichtigen erfolgt, - wenn eine Zeugnispflicht iSd Gerichtsverfahrensgesetze besteht, oder
- wenn ein rechtfertigender Notstand iSv § 34 StGB eine Offenbarung
ausnahmsweise zur Wahrung vor allem von Individualinteressen dritter
Personen zulässt.
Vgl. zu allen Fallgruppen eingehend: Wiesner/Wapler/Walther, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, StGB § 203.
Zu Nr. 3:
Werden den in § 4 Abs. 1 KKG genannten Personen Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, sollen sie zunächst mit dem Kind oder Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung haben die vorgenannten Personen gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft und dürfen dieser nach § 4 Abs. 2 KKG zu diesem Zweck pseudonymisiert Daten übermitteln.
Nach § 4 Abs. 3 KKG dürfen die in § 4 Abs. 1 KKG genannten Personen das Jugendamt informieren und zu diesem Zweck auch Daten übermitteln, wenn eine Abwendung der Gefährdung nach Absatz 1 ausscheidet oder ein Vorgehen nach Absatz 1 erfolglos ist und ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich gehalten wird, um eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen abzuwenden. Erfordert nach Einschätzung der in § 4 Abs. 1 KKG genannten Personen dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen das Tätigwerden
des Jugendamtes, haben diese unverzüglich das Jugendamt zu informieren. § 4 KKG installiert damit als die zentrale Institution des außergerichtlichen Kinderschutzes.
Zu Nr. 5
Es besteht eine Aussagepflicht vor Gericht, es sei denn die Verfahrensordnung räumt ein Zeugnisverweigerungsrecht ein. Zeugnisverweigerungsrechte bestehen etwa im Zivilverfahren nach § 383 ZPO, im familiengerichtlichen Verfahren nach § 29 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 383 ZPO und im Strafverfahren nach § 53 StPO jeweils für die in den genannten Normen konkret benannten Personenkreise.
Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht, soweit ein gesetzliches Geheimhaltungsverbot gilt. Der Personenkreis der nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten wird maßgeblich durch § 203 StGB bestimmt. Fachkräfte in anerkannten Erziehungsberatungsstellen fallen gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB unter den dort genannten schweigepflichtigen Personenkreis. Daher steht ohne Einschränkung allen in Erziehungsberatungsstellen tätigen Fachkräften das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu.
Ebenso z. B. den in § 203 Abs. 1 StGB auch genannten staatlich anerkannten Sozialarbeitern oder staatlich anerkannten Sozialpädagogen. Für Mitarbeiter eines öffentlichen Trägers besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht, das über § 35 Abs. 2 SGB I zu einer Zeugnisverweigerungspflicht wird.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes eine Zeugenvernehmung nur zulässig ist, wenn dazu eine entsprechende Aussagegenehmigung des Dienstherrn vorliegt (vgl. § 37 BeamStG). Es ist überwiegend anerkannt, dass dies auch für Tarifangestellte gilt.
b) Psychodynamisch
Für die Beantwortung von Frage b) liegt die Fachkompetenz bei Ihnen.
Autoren
Dr. Kerstin Wierse, Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Wissenschaftlichen Jahrestagung am 09.11.2023 )
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